Ausstellungen

 

Ansprache zur Gedenkausstellung der verstorbenen Meisterschülerin Annelies Bretz (1999)



Unsere Meisterschülerin Annelies Bretz ist im Winter dieses Jahres nach schwerer Krankheit verstorben. Annelies Bretz war sechzehn Jahre lang, von 1980 bis 1996, eine aktive bewegende Kraft und Persönlichkeit an der Wiesbadener Freien Kunstschule.

Hinterlassen hat sie uns eine Vielzahl an Werken, die in dieser Zeit und zum Teil später, nach 1996, entstanden sind. Der von uns gewählte Titel der Ausstellung „Hinterlassenschaft“ soll die Neutralität zum Ausdruck bringen, die eine ungezwungene und unvoreingenommene Beschäftigung und Einschätzung der geleisteten Arbeitsresultate verlangt.

Wir sind der Überzeugung, daß sich eine Auseinandersetzung mit den Arbeiten von Annelies Bretz sehr lohnt. Wir erfahren Stärken und Schwächen, die in sich den immerwährenden Kampf widerspiegeln, der um die Authentizität des künstlerischen Ausdrucks ringt. Annelies Bretz hat sich diesem Kampf gestellt und ist zum Teil als Siegerin hervorgegangen. Einige Exponate sind wirkliche Meisterstücke der Kompositionskunst, die durch ihre suggestive Aura bezwingen. Sie offenbaren eine Gestaltkompetenz, die Annelies Bretz in jahrelanger intensiver Übung und Forschungsarbeit an der wfk, vor allem in der zeitlich unbegrenzten Meisterklasse, erwerben konnte.

Die ständige intensive fachliche Konfrontation zwischen Annelies Bretz und meinem Vater Wolfgang Becker, dem Begründer und damaligen Leiter dieser Kunstschule, das kontinuierliche gemeinsame kritische Analysieren von getroffenen oder erwogenen Gestaltentscheidungen oder Gestaltmöglichkeiten, die daran anknüpfenden korrigierenden oder verwerfenden Modifikationen oder gar Transformationen bedeuten die entscheidenden Momente eines kompositorischen Verdichtungsprozesses, den Annelies Bretz anvisierte. In ihren gelungenen Arbeiten schießen schließlich Gestaltkompetenz und starke Sinnlichkeit zu einem Wirkungsganzen zusammen, das den Betrachter aufgrund der Schönheit und Konsequenz in Erstaunen setzt, ihn ergreift. Diejenigen Arbeiten, die keinen allzu hohen Verdichtungsgrad aufweisen, die also stärkere formale und damit semantische Inkonsistenzen beherbergen, lassen dennoch allesamt eine gefühlvolle Aura erfahren, die eine Ahnung des noch Möglichen gibt.

Die Wiesbadener Freie Kunstschule setzt sich zum Ziel, Kunstinteressierten von heute eine solide theoretische und handwerklich fundierte Ausbildung zu bieten. Die Arbeiten von Annelies Bretz geben teilweise eine gewisse Vorstellung der Anforderungen, die eine authentische ästhetische Artikulation verlangt, nämlich der arbeitsintensive Erwerb einer kompositorischen Potenz und ihre handwerklich sichere Realisierung. Genau diese Anforderungen sind es, zu deren Wahrung und Durchsetzung es kein Nachgeben der jedem Unterricht zugrundeliegenden bildanalytischen Schärfe und Strenge geben darf, die allein der Sache selbst Gerechtigkeit widerfahren lassen und die allein ein objektives und ehrliches Verhältnis zwischen Lehrer und Schüler zu stiften vermögen.

Schulleitung, Michael Becker (Dipl.-Soz.)

Ausführliche Bildanalysen inkl. methodischer Einführung können Sie bestellen über: info@w-f-k.de

 

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Wolfgang Becker